Prüfer-Storcks war nach der Bundestagswahl an den Koalitionsverhandlungen beteiligt und ist angetreten, dem neuen Anlauf für ein Präventionsgesetz in diesem Jahr zum Erfolg zu verhelfen. Im Interview gibt Sie Auskunft über den aktuellen Stand des Gesetzesvorhabens und über Ihre Sichtweise, wie der organisierte Sport beim Thema Prävention einbezogen werden kann. Sie ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundesrates und in diesem Jahr Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz.
Anfang Februar des Jahres haben Sie sich in einem Interview der Ärztezeitung noch sehr optimistisch geäußert, dass am 1.1.2015 ein neues Präventionsgesetz verabschiedet sein kann und Sie die Tradition der „Last-Minute-Präventionsgesetze“ beenden wollen. Wie ist es inzwischen weitergegangen, wie genau sind Sie in den Erarbeitungsprozess involviert und wie ist der aktuelle Stand?
PRÜFER-STORCKS: Nachdem bereits der dritte Anlauf für die Verabschiedung eines Bundespräventionsgesetzes in der letzten Legislaturperiode nicht mehr gelungen ist, haben wir das Vorhaben in der Koalitionsvereinbarung verankert und an den Anfang der Legislaturperiode gestellt. Deshalb bin ich nach wie vor optimistisch, dass 2015 ein Präventionsgesetz in Kraft treten wird. Dieser Optimismus wird auch dadurch gefördert, dass Gespräche mit dem Gesundheitsministerium zeigen, dass wir gemeinsame Ziele verfolgen. Ich erwarte, dass in Kürze ein Referentenentwurf vorliegen wird.
Der organisierte Sport ist dank mehr als 20.000 mit dem Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT ausgezeichneten Angeboten in über 8.000 Sportvereinen einer der größten Präventionsanbieter in Deutschland. Inwieweit wird das neue Präventionsgesetz den organisierten Sport mit seinen flächendeckenden und sozialverträglichen Angeboten im Präventionsgesetz berücksichtigen?
Sportvereine werden in Deutschland auch deshalb öffentlich gefördert, weil von ihnen wichtige Beiträge zur Gesundheitsförderung der Bevölkerung ausgehen. Insgesamt bieten gut 30 Prozent der Sportvereine in Deutschland Programme mit klaren Zielsetzungen der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation an und widmen sich zum Teil gezielt sozial benachteiligten Zielgruppen. Deshalb sollten in einem zukünftigen Präventionsgesetz settingbezogene Maßnahmen der Sportbünde und –vereine auch eine Rolle spielen.
In bisherigen gesundheitspolitischen Veröffentlichungen taucht der Sportverein als gesundheitsfördernde Lebenswelt selten auf. Wieso tut sich Ihrer Ansicht nach die Politik so schwer damit, Sportvereine als solche anzuerkennen und sie strukturell mitzudenken?
In der Tat ist der Setting-Ansatz die Kernstrategie der Gesundheitsförderung. Hierzu gehört beispielsweise die Teilnahme an kommunalen Netzwerken und Kooperationen mit Betrieben, Schulen und Kindergärten, welche von vielen Sportvereinen bereits aufgegriffen werden. Einige Vereine haben sich bereits auf den Weg gemacht, sich vom reinen Anbieter von Gesundheitssportkursen zum Gesundheitssportanbieter in der Region zu entwickeln. Diese Entwicklung ist jedoch insbesondere für kleine Vereine noch eine große Herausforderung. Auch nach Angaben des DOSB reicht die alleinige Durchführung gesundheitsorientierter Angebote im Verein nicht aus, um nachhaltig und ganzheitlich Verhaltensänderungen zu bewirken und die Gesundheit der Mitglieder zu fördern. Durch den sich entwickelnden Setting-Ansatz der Sportvereine soll eine langfristige Bindung an gesundheitssportliche Aktivität, sowie die Bildung einer eigenen Gesundheitskompetenz erreicht werden, d.h. eine Nachhaltigkeit, die sich im Idealfall im lebenslangen Sporttreiben äußert.
In welcher Form sehen Sie die Ärzteschaft in der Verantwortung, gezielt Maßnahmen zur Prävention zu empfehlen? Wird eine ärztliche Präventionsempfehlung im neuen Gesetz eine Rolle spielen? Und ergänzend: Inwieweit halten Sie hierfür die vom DOSB gestarteten Initiativen wie das „Rezept für Bewegung“, das ja in Hamburg sehr erfolgreich eingesetzt wird, für zielführend?
Ich halte das „Rezept für Bewegung“ durchaus für ein geeignetes Instrument, das von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten eingesetzt und genutzt werden kann. Schon bei der Gesundheitsministerkonferenz herrschte Einigkeit darüber, dass in die Konzeption des Präventionsgesetzes bisherige erfolgreiche Ansätze auf Länderebene einfließen sollen. Prävention und Gesundheitsförderung muss sich über alle Altersstufen erstrecken und vor allem in den lokalen Lebenswelten stattfinden. Anfang des Jahres wurden in Hamburg beispielsweise alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte über die Ärztekammer in Kooperation mit dem Hamburger Sportbund deshalb von mir angeschrieben und über das Rezept für Bewegung inklusive weiterer Unterstützungsmaterialien informiert. Dieses Vorgehen könnte auch in anderen Städten und Ländern übernommen oder ähnlich gestaltet werden. Auf diese Weise könnten bundesweit insbesondere diejenigen Patientinnen und Patienten motiviert werden, sich für einen aktiveren Lebensstil zu entscheiden, die bisher wenig Sport treiben oder sich selten gesundheitsförderlich bewegen. Die Bewegungsempfehlung bezieht sich konkret auf qualitätsgeprüfte Gesundheitssportangebote in den Sportvereinen. Damit erreichen wir eine Zielgruppe, die wir über andere Wege kaum ansprechen oder motivieren können.
Aktuell setzt die Gesundheitspolitik in punkto Prävention stark auf Eigenverantwortung. Immer mehr Menschen sind auch bereit, für Ihre Gesundheit aktiv zu werden. Welche Möglichkeiten sehen Sie auf Seiten der Politik, das Zusammenspiel von Eigenverantwortung und Sicherheit in Bezug auf Prävention positiv zu beeinflussen?
Eigenverantwortung ist ein wesentlicher Punkt. Auch in Hamburg hat sich im Rahmen einer repräsentativen Befragung von Bürgerinnen und Bürgern im mittleren Lebensalter bestätigt, dass die große Mehrheit die Überzeugung teilt, dass jede und jeder selbst viel tun kann, um die eigene Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern. Im Hamburger Landesprogramm „Pakt für Prävention – Gemeinsam für ein gesundes Hamburg!“ wird auch deshalb Wert darauf gelegt, die Zielgruppen nicht nur zu informieren, sondern bei der Angebotsentwicklung und der Umsetzung zu beteiligen, z.B. durch konkrete Befragungen in Gruppengesprächen vor Ort. Richtig ist aber auch, dass Gesundheit nicht nur eine individuelle, sondern eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ist. Auch Bildung, Arbeitsbedingungen, Umwelteinflüsse und soziale Sicherheit beeinflussen die Gesundheit entscheidend. Deshalb halte ich neben der Einbeziehung weiterer Sozialversicherungsträger auch ressortübergreifende Ansätze für notwendig.
Mit dem Präventionsgesetz soll das Ziel erreicht werden, sowohl die Eigenverantwortung zu stärken als auch die Qualität der Maßnahmen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention zu sichern, ihre Wirksamkeit zu fördern und sichtbar zu machen. Dafür ist die Verständigung auf einheitliche und hohe Standards notwendig, die auch überprüft werden. Dazu müssen alle Politikbereiche stärker zusammenwirken.
Herzlichen Dank für das Interview
(Quelle: wirkhaus)