Bleiben Sie optimistisch, stark und gesund!

Die aktuelle Ausgabe "Sport schützt Umwelt" legt den Fokus auf Sport, Gesellschaft, Gesundheit und Umwelt. In einer dreiteiligen Serie kommen verschiedene Akteure zu Wort.

Freude am Sport kann bei Bewältigung von Krisen helfen. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann
Freude am Sport kann bei Bewältigung von Krisen helfen. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Den Auftakt macht MdB Dr. Thomas de Maizière, Vorsitzender der Ethik- Kommission des Deutschen  Olympischen Sportbundes. Er sagt: "Die Corona-Pandemie stellt unsere Weltgemeinschaft, unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns vor neue Herausforderungen. Wir mussten und müssen uns umorientieren, die Fakten und die Lage täglich neu bewerten". 

Der Leitartikel von Dr. Thomas de Maizière:

„Wir befinden uns seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in einer für unsere Generation nie dagewesenen Ausnahmesituation. Wir, das ist die ganze Welt, nicht nur unsere kleine Umgebung. Alle Länder der Welt sind betroffen, arme wie reiche Regionen. Der kleine, unsichtbare Virus bewirkt ein globales Innehalten. Das ganze Ausmaß dieser Pandemie wird man jedoch erst später beurteilen können. Die Corona-Pandemie stellt unsere Weltgemeinschaft, unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns vor neue Herausforderungen. Wir mussten und müssen uns umorientieren, die Fakten und die Lage täglich neu bewerten. Eine erste Beurteilung zu diesem Zeitpunkt kann deshalb nur eine vorsichtige Einschätzung der Folgen sein.

Viele der Eigenschaften, die Sportler auszeichnen, helfen auch bei der Bewältigung von solchen Krisen. Sportler bleiben fokussiert, können mit ihren Gefühlen umgehen, pragmatisch und zielorientiert agieren, das Wesentliche von dem Unwesentlichen trennen. Viele von ihnen haben gelernt, mit Rückschlägen umzugehen, aus Fehlern zu lernen und haben somit eine Resilienz aufgebaut, die ihnen hilft, auch durch diese Zeiten positiv und mental gestärkt zu kommen. Ihr Durchhaltewille, ihre Leidenschaft, ja sogar ihre Leidensbereitschaft und die Freude am Sport schützen auch bei Krisen. Dies motiviert auch andere, sich Zeit für Sport und Bewegung an der frischen Luft zu nehmen. Noch nie habe ich im Frühjahr so viele Menschen joggen sehen! Ein strukturierter Alltag, eine gewisse Opferbereitschaft und Disziplin, die Fähigkeit, alles einer Sache unterordnen zu können, helfen, mit dieser neuen Situation umzugehen.

Auf lange Sicht können Krisen auch etwas Gutes haben. In Krisensituationen zeigt sich der Charakter, Menschen spüren intuitiv, was wirklich wichtig ist. Sie lernen wieder, das Leben an sich zu schätzen. Die Gesundheit ist für alle ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Man nimmt sich nicht mehr so wichtig, regt sich weniger über Kleinigkeiten auf und achtet mehr auf seine Mitmenschen. Wir halten Kontakt zu unseren Lieben, möchten wissen, wie es dem anderen geht und hören einander mehr zu. Im ganzen Land sind tolle Hilfsprojekte entstanden. Manch einer findet wieder zum Glauben zurück, der Trost spendet und Zuversicht. Wir werden uns unserer inneren Stärke bewusst. Sicher, es gibt auch das Gegenteil: Krankheit und Tod, häusliche Gewalt und Einsamkeit, Querulanten, Betrüger und Unersättliche. Aber insgesamt ist in der Krise mehr das Rettende gewachsen, finde ich.

Die Entscheidungen, die wir und unsere Regierungen treffen, werden die Welt vermutlich auf Jahre hinaus prägen. Es ist wichtig, schnell und entschlossen zu handeln, jedoch dabei immer abwägend, ob die tiefen Einschnitte in die persönliche Freiheit des Einzelnen angemessen sind. Wir müssen die langfristigen Folgen unseres Handelns im Blick behalten. Im Kampf gegen das Virus bestimmten zu Beginn nationale Lösungen die Agenda. Wir beobachteten, wie gut sich die einzelnen Länder im Kampf gegen das Virus wehrten. Statt in Ranglisten olympisches Gold, Silber oder Bronze zu zählen, listeten die Medien die Pandemiefallzahlen der Länder auf: Infizierte und Tote. Zutiefst traurige Statistiken. Hoffen wir, dass wir wie nun geplant im nächsten Jahr im Sommer wieder bei Olympia um Medaillen kämpfen können!

Regierungen und Gesellschaften weltweit schlugen verschiedene Wege ein, auch neue. Technologien wie Apps werden eingesetzt, um die Pandemie einzudämmen. Eine solche Corona-App kann Leben retten und unser Zusammenleben wieder mehr öffnen. Ihr Einsatz ist sinnvoll und nötig. Aber geschieht dies nicht mit Bedacht und mit der Achtung des Datenschutzes, kann dies die Tür öffnen zu einer Überwachung ganzer Gesellschaften unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung. Ebenso steht die multilaterale Zusammenarbeit auf dem Prüfstand. Denn ein Virus kennt keine Grenzen. Auch in Europa gibt es viele ermutigende Beispiele länderübergreifender Solidarität und Zusammenarbeit, aber trotzdem brauchte es eine Weile, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen. Globale Anstrengungen und multilaterale Zusammenarbeit in der Wissenschaft, der Austausch von Informationen und Forschungsergebnissen sowie die Verteilung von lebensrettender medizinischer Ausrüstung sind die richtigen Mittel, um die Pandemie weltweit erfolgreich zu bekämpfen und einen Impfstoff zu entwickeln. Und: Aus jeder Krise müssen die richtigen Lehren gezogen werden, um gestärkt aus ihr hervorzugehen. Wir stellen uns daher die Frage, wie es nach Corona weitergehen soll. Ein Einfaches „Weiter so!“ oder „zurück, wie es war“, wird es vermutlich nicht geben. Wir sollten festgefahrene Strukturen hinterfragen. Viele verstehen die Pandemie auch als eine Art Weckruf. Es werden Forderungen laut, dass der stetige Anstieg des Verbrauchs der Ressourcen unserer globalisierten Welt so nicht weitergehen kann. Die Krise hat uns verdeutlicht, in welche Abhängigkeiten sich die Welt durch die globalen Produktionsketten gebracht hat. Sie hat aber auch Kreativität und pragmatische dezentrale Lösungen hervorgebracht: vielerorts produzieren Theaterwerkstätten, Privatleute und kleine Firmen farbenfrohe Mundschutze; Nachbarn unterstützen sich bei der Bewältigung des Alltags, die Gemeinschaft und das solidarische Miteinander erblühen. Und wir haben gelernt, dass manche Dienstreise nicht nötig war und manche abgesagte Veranstaltung niemand vermisst hat. Der Umgang des Bundes und der Länder mit Corona hat gezeigt, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen können, wenn wir nur wollen. Ein bisschen mehr Einheitlichkeit wäre allerdings doch nötig. Können wir auch darüber reden? Wir sollten es.

Eine weitere Lehre könnte sein, auch bei zukünftigen Entscheidungen zum Beispiel hinsichtlich des Erhaltens der Umwelt und des Klimaschutzes mutiger zu sein und der Wissenschaft mehr Gehör zu geben. Entscheiden muss am Ende allerdings die Politik, nicht die Wissenschaft, die sich ja im Übrigen auch nicht immer einig ist. Die Bewahrung der Schöpfung bleibt ein überragendes Anliegen, auch nach Corona. Es gibt hier auch einen Zusammenhang. Der Mensch ist stetig immer weiter in den Lebensraum der Wildtiere eingedrungen, was die Gefahr von Pandemien erhöhte: sei es der Ausbruch von Ebola oder aktuell von Covid-19. Dieses zu enge Miteinander und mangelnde Hygiene haben die Pandemien verstärkt. Auch scheinen aktuell Menschen in Regionen mit höherer Luftverschmutzung und entsprechenden Vorerkrankungen der Atemwege stärker von Corona betroffen zu sein. In vielen Regionen beobachtete man, wie sich die Natur während des Shutdown erholte. All dies gilt es auszuwerten.

Auch in der Arbeitswelt gab es tiefe Einschnitte: Einige wuchsen über sich hinaus, hielten unser Land am Laufen, andere mussten in Kurzarbeit gehen, manche bangen um ihre Existenz. Der Virus beschleunigte die Digitalisierung, auch lokale Anbieter vertreiben ihre Waren nun online. Viele der Zukunftsvisionen der Jugend, die beispielsweise bei den „Fridays for Future“- Demonstrationen weltweit gefordert wurden, wurden auf einmal Realität: Rückgang des Verkehrs und der Emissionen, Entschleunigung, Nachhaltigkeit. Die Krise hat uns unsere Abhängigkeit von globalisierten Arbeitsprozessen und Lebensmittelproduktionen vor Augen geführt. Viele Weichen werden jetzt neu gestellt. Wir werden sehen, wie nachhaltig das alles sein wird.

Es wird überall zu Korrekturen kommen, auch im Sport. Denn ein „immer schneller, höher, weiter“ hat uns auch dort an die Grenzen der Möglichkeiten gebracht. Viele Spitzensportler werden bescheidener werden, wenn sie vor leeren Rängen spielen müssen – ohne die lautstarke Unterstützung ihrer Fans. Denn Leidenschaft braucht Nähe! Wir werden nach vielen Wochen des Trainings unter Einschränkungen dankbar nach und nach auf unsere Trainingsanlagen zurückkehren. Wir merken, wie wichtig das soziale Miteinander und die persönlichen Begegnungen im Verein, in der Mannschaft und in unserer Gesellschaft sind. Und wie sehr uns das in den letzten Monaten gefehlt hat! Mit der Krise und ihren Folgen werden wir noch eine Weile leben müssen, aber ich hoffe sehr, dass wir gestärkt, bescheidener und demütiger in die Zukunft blicken werden. Und wieder dankbarer für kleine, zurückgewonnene Freiheiten und Normalität. Ich zum Beispiel freue mich schon darauf, in einem tosenden Stadion herzhaft in eine Bratwurst beißen zu können. Und auf Schweiß, Wettkampf und sportliche Höchstleistungen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute! Bleiben Sie optimistisch, bleiben Sie stark und vor allem – bleiben Sie gesund!"

(Quelle: DOSB/Sport schützt Umwelt Ausgabe 132)


  • Freude am Sport kann bei Bewältigung von Krisen helfen. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann
    Gemischte Sportgruppe draußen lachend Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann