Tipp des Monats: Sport und Familie

In der Ausgabe März/April 2011 von "Gesund + fit" gibt es nützliche Informationen zum Familiensport

Familienradfahren
Familienradfahren

Sport und Bewegung sind nicht nur gesund, sondern bieten eine Plattform für soziales Lernen und Wertevermittlung an: Durch Bewegung und Sporttreiben in Gruppen wird die physische, psychische und soziale Entwicklung von Kindern genauso gefördert wie der Zusammenhalt innerhalb der Familie. Deshalb sind Familien eine wichtige Zielgruppe für Sportvereine.
Doch ganz so einfach, wie man im ersten Moment denkt, ist es gar nicht, Familien und Sport unter einen Hut zu bringen. Es beginnt schon mit der Frage, was eine Familie eigentlich ist.

"Vater-Mutter-Kind" gehört zur Vergangenheit
"Als ich klein war, habe ich mit meinen Freundinnen, 'Vater-Mutter-Kind' gespielt." Diese Kernfamilie war bis vor Kurzem unsere Vorstellung von Familie und entsprach dem jahrzehntelang einzig gesellschaftlich akzeptierten Familienmodell.
Heute ist dies nur noch eine Möglichkeit, Familie zu leben: Durch den gesellschaftlichen wie auch demographischen Wandel bedingt, gibt es heute unterschiedlichste Familienkonstrukte:

  • Kinder, die mit einem Elternteil leben
  • Einkindfamilien
  • Mehrgenerationenfamilien
  • Patchworkfamilien usw.

Familien unterscheiden sich zudem untereinander hinsichtlich ihrer finanziellen wie auch zeitlichen Ressourcen und ihrer aktivierbaren Unterstützungsmöglichkeiten. Sie unterliegen grundsätzlich gesellschaftlichen Bedingungen, die an sie heutzutage ganz andere Anforderungen stellen als noch vor einigen Jahrzehnten:

  • In vielen Familien ist die berufliche Belastung hoch, sei es weil beide Elternteile arbeiten oder aber weil in einer Einelternfamilie dieses Elternteil weitestgehend allein für den Unterhalt des Kindes/der Kinder aufkommen muss. Mit den hohen beruflichen Anforderungen, die nicht selten mit hohen Mobilitätserwartungen einhergehen, ist verbunden, dass die Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen können, zunehmend eingeschränkt ist.
  • Da es nicht nur immer weniger Kernfamilien gibt, sondern auch immer weniger Familien, die in einem Mehrgenerationenverband leben oder im regelmäßigen generationsübergreifenden Austausch beispielsweise mit den Großeltern stehen, sind auch die Unterstützungsmöglichkeiten für Familien im Vergleich zu früher eingeschränkt.
  • Aber auch die Kinder und Jugendlichen stehen im Vergleich zu früheren Zeiten unter einem enormen Leistungs- und Erwartungsdruck, so dass freie Zeit zum Spielen und Bewegen durch schulische wie auch gesellschaftliche Anforderungen sehr begrenzt ist.

Familiensport in kein Einzelsport
Angesichts dieser Rahmenbedingungen bietet gemeinsames Sporttreiben in der Familie mehr denn je eine hervorragende Möglichkeit, für Großeltern, Eltern und Kinder einen gemeinsamen Erfahrungsraum zu schaffen, um sich abseits des Alltags mit Zeit- und Leistungsdruck spielerisch und mit Spaß zu begegnen, sich in neuen Rollen kennenzulernen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Allerdings sieht die Realität im Sport leider häufig anders aus: In den kommerziellen Fitnessstudios ist ein häufiges Bild, dass, wenn Familien überhaupt gemeinsam ins Studio kommen, die Kinder in der Kinderbetreuung abgegeben werden, der Vater allein an Geräten trainiert und die Mutter sich in einem Kursangebot fit macht. Aber auch im Sportverein, der ja traditionell als ein Ort der Familie angelegt ist, zeigt sich, dass selbst dann, wenn die ganze Familie Mitglied im Verein ist, sie dort eher als Solisten agieren, also nicht miteinander Sporttreiben oder wenigstens zur selben Zeit, sondern zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten und oft noch in unterschiedlichen Sportarten.

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Vereine können Familiensport fördern

Dabei gibt es viele gute Beispiele, wie Sportvereine das sportliche Miteinander von Familien fördern und/oder Familien in vielfacher Weise unterstützen können:

1. Angebotsstruktur
Häufig findet Sporttreiben zwischen den Generationen einfach nicht statt, weil es in den Sportvereinen keine entsprechenden Angebote gibt. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass gerade sportartspezifische Angebote häufig nach Altersklassen strukturiert sind. Folgende Beispiele zeigen, wie es anders geht:

"Dreamdaddys und ihre Töchter"
Im Landessportbund Brandenburg ist die Vorführgruppe von Vätern mit ihren turnenden Töchtern die Attraktion. Gemeinsam zeigen die Familien des TSV Falkensee am Boden und auf dem Trampolin, dass Turnen nicht nur Spaß macht, sondern auch zusammenschweißt. Weitere Informationen unter marquardt(at)lsb-brandenburg.de oder gs(at)tsv-falkensee.de.

"Familientriathlon"
Beim "Familientriathlon" absolvieren drei Familienmitglieder in Form einer Staffel nacheinander die Strecken 150 Meter Schwimmen, 3 Kilometer Radfahren und 800 Meter Laufen. Es kommt nicht auf die Zeit an, denn alle Familien, die den Triathlon gemeinsam geschafft haben, sind Sieger! Gestärkt wird hier der generationsübergreifende Gedanke. Alternative Familienkonstellationen sind ebenfalls möglich.
Weitere Informationen unter k.sotzmann(at)lsb-berlin.org.

"Eltern-Kind-Doppel im Tennis"
Mit der Schnelligkeit des Kindes und der Erfahrung des jeweiligen Elternteils ist man im Doppel fast unschlagbar. Deshalb bieten findige Tennisvereine schon länger Familiensport in Form von verschiedenen Turnierformaten an: So gibt es beispielsweise Vater-Sohn- oder Mutter-Tochter-Turniere. Auch die Kombination von beidem, das MuKi-VaKi-Turnier, gibt es bereits.

2. Zeitmanagement
Selbst wenn Eltern und Kinder nicht gemeinsam sportlich aktiv werden, kann ein Verein durch ein gelungenes Zeitmanagement dafür sorgen,  dass die Eltern nicht nur den Fahrdienst für ihre Schützlinge machen und dann am Spielfeldrand warten. Durch zeitgleiche Angebote, beispielsweise einem Aerobickurs parallel zum Kinderturnen oder der Existenz eines vereinseigenen Fitnessstudios, werden die Eltern motiviert, die Sportzeiten ihrer Kinder als eigene Bewegungspause zu nutzen:

Eltern-Hockey
1984 griffen erstmals Eltern in Bonn zum Hockeystock und gründeten die Elternhockeymannschaft "HC Chaos". Weitere Teams folgten schnell und gaben sich phantasievolle Namen. Heute gibt es ca. 300 Mannschaften. Statt nur am Spielfeldrand zu stehen oder ihre Kinder zu fahren, greifen die Eltern jetzt aktiv ein. Aus ihren Reihen kommen viele Mitarbeiter/innen und Vorstandsmitglieder in den Vereinen und Verbänden.

3. Sportvereine als familienfreundliche Lebensorte
In den letzten Jahren haben zum Beispiel in der Gesundheitspolitik sogenannte Settingansätze immer mehr an Bedeutung gewonnen. Diese nehmen zur Kenntnis, dass Verhaltensweisen und Lebensstile besonders an den Orten entwickelt und verfestigt werden, an denen Menschen einen großen Teil ihrer Lebenszeit verbringen. Dazu gehören beispielsweise der Kindergarten, die Schule oder der Arbeitsplatz. Durch die Langfristigkeit und Freiwilligkeit von Vereinsmitgliedschaften haben Sportvereine das Potential, sich als familienfreundliche und familienfördernde Lebensorte zu etablieren. So können sie im Sinne einer Begegnungsstätte einen Rahmen schaffen, in dem soziales Lernen, Integration und Partizipation in der Familie und von Familien stattfinden. Hierfür sind nicht nur entsprechende Angebote wichtig, sondern auch familienfreundliche Mitgliedsbeiträge oder die Chance für Familien, das Vereinsleben aktiv mitzugestalten:

Familientreffpunkt Sportverein
Im Landessportbund Sachsen sind einige Sportvereine mittlerweile zu richtigen Familientreffpunkten geworden. So bietet die SG Medizin Bad Elster ein regelmäßiges Sportangebot für Familien mit Kleinkindern, das darüber hinaus auch mit Wanderungen, sowie Spielplatz- und Schwimmbadbesuchen abgerundet wird. Die Familien genießen nicht nur das gemeinsame Tun, sondern auch den Austausch über den Familienalltag. Weitere Informationen unter www.sport-fuer-sachsen.de.

4. Bewegung in den Familienalltag bringen
Sportvereine können neben Angeboten vor Ort Familien auch dabei unterstützen und anregen, mehr Bewegung in den Familienalltag zu bringen:

DTB Kinderturn-Club
Der DTB Kinderturn-Club ist ein Proramm des Deutschen Turner-Bundes. Hier wird die ganze Familie mit einbezogen. So bietet das vierteljährlich erscheinende Kinderturn-Heft nicht nur Infos, Spiel und Spaß für Kinder, sondern auch einen Elternratgeber mit aktuellen Themen wie "Bewegtes Lernen", "Aufträumen als Spiel", "Sicherheit im Straßenverkehr" uvm. Im Kinderturn-Club finden regelmäßig spannende Aktionen und Wettbewerbe unter Einbeziehung der Eltern statt.

DSJ-Bewegungskalender
Im Jahr 2011 erschien erstmals ein <media 35556 _blank download>Bewegungskalender</media> aus dem Bereich "Kinderwelt ist Bewegungswelt" der Deutschen Sportjugend. Der Kalender soll Kinder im Alter von 4 bis 10 Jahren und ihre Familien zu mehr Bewegung im Alltag anregen. Neben vier Bewegungsspielen im Monat unterstützt der Kalender die Eltern mit Tipps zur Bewegungsförderung von Kindern. Mit dem Wettbewerb "Werde zum Bewegungsdetektiv!" können Ideen für mehr Bewegung an die DSJ gesandt werden. Die besten Ideen werden mit Sachpreisen prämiert und auf der Website www.kinderwelt-bewegungswelt.de veröffentlicht.

Die Familie stärkt auch den Sport

Doch Sport stärkt nicht nur Familien. Sind die entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, können die Familien auch den Sport stärken, denn ohne Mitglieder kommt der Sport ebenso wenig aus wie ohne ehrenamtlich Aktive. Hier bieten Familien ein wichtiges Potential: Über sie können neue Vereinsmitglieder geworben werden, denn nicht nur die Kinder finden über ihre Eltern in den Verein, sondern auch umgekehrt. Auch sind Eltern und Großeltern häufig sehr motiviert, sich für ihre Kinder im Verein ehrenamtlich zu engagieren. Damit Familien als Mitglieder gewonnen werden, müssen Angebote und Zeitmanagement stimmen. Nur dann können sich einzelne Familienmitglieder für den Verein ehrenamtlich engagieren. Hierfür müssen bestimmte Strukturen geschaffen werden:

Familienfreundliches Ehrenamt
Der Deutsche Alpenverein bildet in einer einwöchigen Ausbildung ehrenamtliche Familiengruppenleiter/innen aus. Um die Vereinbarkeit von Ehrenamt und Familie zu gewährleisten, finden die Ausbildungen gemeinsam mit den eigenen Kindern statt. Auch Fortbildungen und die zentralen Familientagungen im Alpenverein werden immer für die ganze Famiie ausgeschrieben. Weitere Informationen unter www.alpenverein.de.

Weitere Informationen...
... und viele gute Beispiele findet man in der neuen Broschüre des Deutschen Olympischen Sportbundes "DOSB: Sport stärkt Familien", zu beziehen über
Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12
60528 Frankfurt

Über das Thema informiert Sie beim DOSB
Ute Blessing-Kapelke
E-Mail: blessing-kapelke(at)dosb.de
Telefon: 069 / 6700-295
www.dosb.de/de/sportentwicklung/familie-und-sport

Dieser Artikel erscheint auch in der Zeitschrift SportPraxis 3+4/2011
www.sportpraxis.com


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