Zentrale Prinzipien und Übungen im Tai Chi

Im Tai Chi gibt es einige grundlegende Prinzipien, die sehr deutlich machen, warum die Sportart, auch wenn sie aus der Kampfkunst kommt, als eine typische Entspannungssportart gilt.

(c) LSB NRW / Foto: Michael Stephan
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Fließen: Diese Eigenschaft des Wassers ist ein Gleichnis für Tai Chi: Tai Chi soll gleichmäßig, leicht, lebendig und ausdauernd sein und machen. Die Übungen werden im Fluss durchgeführt, sie sollen nicht anstrengend sein, sondern entspannt und wie das Wasser alle Hindernisse umfließen.
Wirbelsäule am Himmel aufgehängt: Die Wirbelsäule ist beim Tai Chi Chuan aufgerichtet - als wenn die einzelnen Wirbelkörper durch eine Schnur verbunden sind und durch diese am Hinterhaupt an der Decke aufgehängt sind - ähnlich wie bei einer Marionette. Dann kommt die Wirbelsäule automatisch in ihre natürliche Krümmung, die Schultern fallen entspannt nach hinten unten. Ist diese Haltung am Anfang noch anstrengend, so richtet sich die Wirbelsäule nach einer Zeit des Übens wie von selbst auf, und der Übende hat wirklich den Eindruck, dass seine Wirbelsäule von einer unsichtbaren Kraft gehalten wird. Die Übungen werden leicht und fühlen sich schwerelos an.
Bewegen aus der Mitte: Beim Tai Chi bewegt man immer den ganzen Körper, und dies funktioniert nur, wenn alle Bewegungen aus der Mitte, das bedeutet, sowohl aus dem Körperschwerpunkt, als auch aus dem energetischen Schwerpunkt (in der Lehre des Tai Chi und beim Qi Gong als Dantian bezeichnet) heraus, ausgeführt werden. Bewegen aus der Mitte meint auch die Geisteshaltung: Der Übende sollte sich nicht aus dem (seelischen) Gleichgewicht bringen lassen, sondern aus dem Bauch - verstanden als dem Gleichgewicht von Kopf und Herz - heraus handeln.
Loslassen: Loslassen bedeutet einerseits möglichst keine unnötige Muskelkraft aufzuwenden, sondern die Übungen mit so wenig Aufwand wie möglich durchzuführen, andererseits aber auch Gelassenheit. Um seine innere Kraft zu spüren und zu nutzen, muss man von der äußeren Kraft loslassen lernen.
Sinken: Beim Tai Chi lernt man seinen Körper sinken und schwer werden zu lassen und damit seinen Geist und Emotionen fest zu verwurzeln. Auf der körperlichen Ebene merkt man das tatsächlich daran, sodass es einem Gegner kaum möglich ist, einen umzuwerfen.

Die folgenden Übungen nach dem bekannten Tai Chi-Meister Zheng Manqing machen diese Prinzipien deutlich.

Mit dem Mond über dem Kopf gehen
Durchführung: Man steht aufrecht mit erhobenen Kopf und stellt sich dabei vor, dass man den Mond, vorzustellen etwa in der Größe eines Basketballs, auf dem Kopf liegen hat und man sehr fein balancieren muss, damit der Mond nicht vom Kopf herunterfällt. Die Augen blicken geradeaus, denn wenn man nach unten schaut, fällt der Mond herunter. Die Arme hängen entspannt herab. Dann geht man mit dem Mond auf dem Kopf umher, mal schnell mal langsam.
Hinweis: Mit "dem Mond auf dem Kopf" sollten auch die anderen Übungen ausgeführt werden und auch im Alltag alle Handlungen, wie Stehen, Sitzen, Gehen, Zähneputzen oder das Öffnen einer Tür.

Gehen auf dünnem Eis
Durchführung: Man geht über den Boden und stellt sich dabei vor, man liefe auf einer Eisschicht über einen See. Das Eis ist an manchen Stellen ganz dünn, sodass man einbricht, wenn man fest darauf tritt. Man muss deshalb beim Gehen den Fuß immer mit der Ferse zuerst nur auflegen, dann den Fuß langsam weiter belasten und abrollen - immer bereit, das Körpergewicht wieder auf den hinteren Fuß zu verlagern, falls das Eis unter dem vorderen Fuß einbricht. Die Arme bleiben dabei entspannt am Körper und dürfen nicht bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts helfen. Wenn das Körpergewicht ganz auf dem vorderen Fuß liegt, dann kommt der nächste Schritt.

Den Strom durchwaten
Durchführung: Man geht und stellt sich dabei vor, knietief durch die Furt eines reißenden Stromes zu waten - immer mit dem Widerstand des Wassers kämpfend und auf sein Ziel fokussiert.


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