Tipp des Monats: Sport als Prävention gegen Bluthochdruck

In der Ausgabe Mai/Juni 2012 von "Gesund + fit" geben Expertinnen des DOSB nützliche Tipps und Informationen zum Thema "Sport als Prävention gegen Bluthochdruck"

"Pulsmessung" Foto: Andrea Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRW
"Pulsmessung" Foto: Andrea Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRW

"Metabolisches Syndrom" - davon haben die meisten vermutlich noch nie etwas gehört und doch leiden zahlreiche Menschen daran. Das metabolische Syndrom ist eigentlich keine eigenständige Erkrankung. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Zusammentreffen von Symptomen, die das Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems erhöhen. Welche Rolle dem Sport in Prävention aber auch Therapie der verschiedenen Teilerkrankungen des metabolischen Syndroms zukommt, möchten wir in einer Reihe von Artikeln beleuchten. Den Anfang macht das Thema "Sport und Bluthochdruck". Und wieder einmal gilt: Sport ist die beste Medizin!

Folgende vier Symptome erhöhen das Risiko von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems:

  • Starkes Übergewicht mit meist bauchbetonter Fetteinlagerung (Adipositas)
  • Bluthochdruck
  • Erhöhter Blutzuckerspiegel (gestörter Zuckerstoffwechsel in Form einer Insulinunempfindlichkeit bzw. -resistenz)
  • Gestörter Fettstoffwechsel

Das zeitgleiche Auftreten dieser Symptome führt zu dem Begriff "Syndrom". "Metabolisch" bedeutet so viel wie stoffwechselbedingt. Da Herzinfarkt und Schlaganfall die Folgen des metabolischen Syndroms sein können, spricht man auch vom "tödlichen Quartett". Und in der Tat: Herzkreislauferkrankungen und deren Folgeerkrankungen sind heute in den westlichen Industrienationen Todesursache Nr. 1. Welche der Symptome in welcher Gewichtung ein metabolisches Syndrom ausmachen, wird kontrovers diskutiert. Doch klar ist: Sport ist die beste Medizin!
Denn die meisten der Risikofaktoren des metabolischen Syndroms haben wir selbst in der Hand, bzw. in den Beinen und können mit Sport und Bewegung erfolgreich vorbeugen: Sportlich Aktive haben ein deutlich geringeres Risiko, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems überhaupt zu bekommen bzw. an diesen zu sterben. Man konnte in wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung bei Sportaktiven geringer ist als bei sportlich Inaktiven, die 20 Jahre jünger waren. Das heißt, ein sportaktiver 69-jähriger hat ein geringeres Risiko zu erkranken als ein inaktiver 49-jähriger!

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Patientengespräch - Foto: Andrea Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRW

Bluthochdruck
Bluthochdruck gilt als einer der entscheidenden Risikofaktoren bei der Entstehung der Arteriosklerose und ihrer Folgeerkrankungen. Deutschland ist das Land mit der höchsten Vorkommenshäufigkeit von Bluthochdruck in Europa. Dennoch weiß etwa die Hälfte der Menschen mit zu hohem Blutdruck gar nicht, dass dieser bei ihnen erhöht ist. Bluthochdruck, besonders im Anfangstadium, verursacht schließlich keine Schmerzen und hat, wenn überhaupt, nur einige Allerweltssymptome, die sich auch bei vielen anderen Erkrankungen finden.

Was ist überhaupt der Blutdruck?
Vereinfacht gesagt ist der Blutdruck der Druck, mit dem das Blut durch die Arterien fließt. Durch die Kontraktion des Herzmuskels werden mit jedem Schlag der linken Herzkammer ungefähr 60 bis 90 ml Blut in die Aorta ausgestoßen. Das führt zu einem plötzlichen Druckanstieg (gemessen in mmHg), der sich auch als Pulswelle fühlen lässt und der bei der Blutdruckmessung durch den ersten höheren Wert angegeben wird. Man bezeichnet diesen auch als systolischen Wert. Der zweite, niedrigere Wert wird bei der Erschlaffung des Herzens gemessen. Das bedeutet, es wird gemessen, bis zu welchem Wert der Druck bei der Erschlaffung des Herzmuskels abfällt. Diese Phase wird Diastole genannt, der Wert heißt diastolischer Wert.

Wann ist der Blutdruck zu hoch?
Der systolische Druck sollte optimal unter 120 mmHg (Millimeter-Quecksilbersäule) liegen, der diastolische Wert bei unter 80 mmHg. Laut Weltgesundheitsorganisation spricht man bei Werten ab 140 mmHg systolisch und 90 mmHg diastolisch von Bluthochdruck, da ab diesen Grenzwerten das Herz-Kreislauf-Risiko signifikant steigt. Das größte Risiko geht mit einem hohen systolischen Blutdruckwert einher. Anhaltend hoher Blutdruck führt allmählich zu Veränderungen an den Wänden der Blutgefäße, die zunehmend ihre Elastizität verlieren. Nach und nach wird der Durchmesser der Gefäße immer kleiner und die mittlere Arterienwand, wird allmähich in härteres und mit Kalk durchsetztes Bindegewebe umgebaut. Dieser arteriosklerotische Prozess zeigt sich bei der Blutdruckmessung dadurch, dass der erste Wert hoch und der zweite Wert sehr niedrig ist. Dies macht erkennbar, dass die Dehnbarkeit der Gefäße sehr eingeschränkt ist und lässt auf eine fortgeschrittene Arteriosklerose schließen, weshalb diese Konstellation als mit einem hohen Risiko behaftet gilt.
Ganz entscheidend ist, dass man Bluthochdruck ernst nimmt, auch wenn er subjektiv keine oder kaum Beschwerden auslöst. Das bedeutet für die Therapie: Der Blutdruck muss unbedingt runter auf ein gesundes Maß! Dies passiert mittels verschiedener Medikamentengruppen, wie beispielsweise Beta-Blocker, Kalziumantagonisten und den Arzneistoffen ACE-Hemmer.

Bevor sich jedoch Bluthochdruckpatienten die Sportschuhe schnüren, ist es erforderlich, den Hausarzt oder ein Sportmediziner aufzusuchen und mit diesem abzuklären, ob und mit welcher Intensität Sport betrieben werden kann. Der Arzt wird diese Frage in der Regel durch ein Belastungs-EKG klären. Wer dann das Okay von ärztlicher Seite hat, steht vor der Frage, welche Sportarten für ein moderates Ausdauertraining der Bluthochdruckpatienten geeignet sind. Je nach individuellen Vorlieben und Vorerfahrungen suchen sich gerade Neueinsteiger am besten einfach erlernbare Sportarten aus, die große Muskelgruppen beanspruchen. Walking und Nordic Walking, Jogging und Radfahren sind hier geeignet.
Auch Wasserratten mit Bluthochdruck können auf ihre Kosten kommen, allerdings sollte der Aufenthalt im Wasser mit dem Arzt abgesprochen werden, da beim Eintauchen ins Wasser ein besonderer Effekt eintritt. Die Tauchbradykardie. Dadurch, dass die Dichte des Wassers etwa 1000 mal größer ist als die von Luft, ist auch der Wasserdruck deutlich höher als der Luftdruck. Wenn nun ein Mensch vom Trockenen ins Wasser steigt, drückt der Wasserdruck auf den Körper und auch auf die Blutgefäße, was dazu führt, dass der Blutdruck sich kurzfristig erhöht. Der gesunde Mensch merkt dies in der Regel überhaupt nicht, für manchen Bluthochdruckpatienten kann diese Druckerhöhung jedoch gefährlich werden und sollte deshalb mit dem Arzt besprochen werden.

Besser Prävention als Therapie
Sport und Bewegung beugen dem Bluthochdruck erfolgeich vor und sind bei Bluthochdruck eine "Medizin ohne Nebenwirkungen", wenngleich man jedoch auch hier einiges beachten muss: Durch regelmäßiges, moderates Ausdauertraining lässt sich der Blutdruck dauerhaft um bis zu 15/10 mmHg senken. Ebenfalls unterstützt Bewegung die Reduktion von Übergewicht, das seinerseits wiederum im engen Zusammenhang zum Bluthochdruck steht. Und wenn man beim Sport ins Schwitzen gerät, wird dem Körper Kochsalz entzogen, ein Effekt, der ebenfalls blutdrucksenkend wirkt.

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 Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRWLangsam beginnen - allmählich steigern

Für welche Sportart sich Betroffene entscheiden, um den Blutdruck dauerhaft zu senken, ist eine Trainingshäufigkeit von 3-4 mal in der Woche und eine Dauer von 30-60 Minuten pro Trainingseinheit optimal. Gerade Neu- und Wiedereinsteiger sollten ihre Ansprüche besonders am Anfang nicht zu hoch setzen, um sich nicht zu überlasten. Die Trainingsintensität sollte moderat sein. Die bekannte Formel "180 - Lebensalter = Trainingsherzfrequenz" ist zu einfach, da sie wichtige Faktoren wie z. B. den Ruhepuls unberücksichtigt lässt. Hinzu kommt, dass viele Bluthochdruckpatienten mit Beta-Blockern behandelt werden. Diese senken jedoch die Pulsfrequenz, sodass man sich nicht mehr nach "Faustregeln" richten kann. In der Untersuchung vor Aufnahme des Sports sollte der Arzt deshalb die Trainingspulsfrequenz bestimmen und diese auch regelmäßig kontollieren, damit die Belastung optimal dosiert werden kann. Eine einfache Methode, die auch bei Bluthochdruckpatienten funktioniert, um Überlastung vorzubeugen, ist die Regel "laufen ohne zu schnaufen", also nur so intensiv zu trainieren, dass man sich beim Sport zumindest in kurzen Sätzen unterhalten kann.

Stress lass nach!
Neben dem moderaten Ausdauertraining sind für Bluthochdruckpatienten Sportarten geeignet, die direkt der Stressreduktion dienen, denn auch Stress wirkt blutdrucksteigernd. Die Regulation des Blutdrucks wird in erster Linie vom vegetativen Nervensystem mit Sympathikus und Parasympathikus gesteuert, dass alle lebenswichtigen Funktionen des Körpers und somit auch den Blutkreislauf überwacht. Die dem Sympathikus zugeordneten Nerven spannen die Gefäßmuskeln an, sodass sich der Druchmesser verkleinert, der Druck erhöht und die Blutströmung beschleunigt wird. Der Parasympathikus als Gegenspieler des Sympathikus sorgt für die Entspannung der Gefäßmuskeln, so dass sie sich erweitern können und der Blutdruck gesenkt wird. Eine gute Blutdruckregulation setzt voraus, dass Sympathikus und Parasympathikus harmonisch zusammenspielen. Dieses Zusammenspiel gerät bei Stress aus dem Gleichgewicht, denn bei Stress werden von der Nebenniere Katechholamine freigesetzt (Stresshormone). Diese aktivieren den Sympathikus und führen zu einer Engstellung der Blutgefäße mit der Folge, dass der Blutdruck steigt. Wer ständig unter Strom steht, trägt dazu bei, dass sein Blutdruck dauerhaft erhöht ist. Hier ist zu bedenken, dass der Sport generell keinen Stress bedeuten sollte. Dies kann durchaus in Wettkampfsituationen oder aber bei Sportarten passieren, die eine hohe Konzentration erfordern (z.B. Golf oder Schießen).

Risikosportarten
Man kann sich vorstellen, dass bestimmte Sportarten für Bluthochdruckpatienten auch ein Risiko darstellen, denn wer seit längerem unter zu hohem Blutdruck leidet, bei dem sind schon häufig die Blutgefäße in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb sollten Hypertoniker Sportarten vermeiden, bei denen es zu Blutdruckspitzen kommt. Dies ist häufig beim Krattraining der Fall, kann aber auch passieren, wenn man beim Sport nicht gleichmäßig atmet, sondern die sogenannte Pressatmung macht, also gegen die geschlossenen äußeren Atemwege ausatmet. Und das passiert besonders leicht bei Sportarten, in denen viel Kraft gefordert ist. Früher hat man aus diesem Grund gesagt, dass Krafttraining für Bluthochdruckpatienten ungeeignet und gefährlich ist. Allerdings muss man das Krafttraining etwas differenzierter betrachten:  Maximalkrafttraining ist absolut tabu, da es Blutdruckspitzenwerte erzegut, die zu Gefäßschädigungen führen können. Moderates Kraftausdauertraining (40-60 Prozent der Maximalkraft), also wenig Gewicht mit vielen Wiederholungen (20+5), hingegen kann jedoch entgegen früherer Behauptungen auch zur langfristigen Blutdrucksenkung beitragen.
Ebenfalls wenig geeignet ist isometrisches Krafttraining (also reine Haltearbeit ohne Verkürzung des Muskels), da dabei die versorgenden Blutgefäße komprimiert werden und der Blutdruck steigt. Da die Muskulatur nur noch schlecht mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, meldet der Körper außerdem "Alarm" und schüttet vermehrt den Neurotransmitter Noradrenalin aus. Dies wiederum sorgt dafür, dass durch die Aktivierung des Sympathikus der Blutdruck steigt. Für bedenklich wurden einstmals auch Spielsportarten gehalten, doch wenn man diese dosiert und ohne zu großen Wettkampfaspekt betreibt, regen auch sie den Stoffwechsel an und haben positive Wirkung auf den Blutdruck.

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 Leistungssport und Bluthochdruck

Natürlich gibt es nicht nur Menschen, die Sport wegen ihres Bluthochdrucks betreiben, sondern umgekehrt auch aktive Sportler, die aber dennoch unter Bluthochdruck leiden. Können diese überhaupt leistungssportlich aktiv sein und was ist ihnen zu empfehlen? Sportler sollten ihrem Hausarzt mitteilen, dass sie sportlich aktiv sind, damit dieser die Medikation abstimmen kann. Bestimmte blutdrucksenkende Mittel, wie z.B. Beta-Blocker, senken zwar den Ruhe- und Belastungsblutdruck, gehen aber gleichzeitig mit einer Leistungsminderung einher. Bei anderen Mitteln, z.B. Kalziumantagonisten oder ACE-Hemmer, sind derartige Nebenwirkungen nicht bekannt und sollten deshalb in der Therapie von Leistungssportlern den Vorzug haben. Beta-Blocker dürfen zudem von einigen Athleten nur mit einer Sondergenehmigung eingenommen werden, da sie bei bestimmten Sportarten auf der Dopingliste stehen. Dies sind Sportarten, für die sich die Blutdruck- und pulsfrequenzsenkende Wirkung positiv bemerkbar macht, da man eine ruhige Hand benötigt, z.B. beim Schießen oder Biathlon. Auch Diuretika, also entwässernde Mittel, stehen - und zwar für alle Sportarten - auf der Dopingliste, da sich durch sie andere verbotene Substanzen maskieren lassen. Sie haben nur wenig Einfluss auf den Belastungsblutdruck, aber unter Umständen negative Auswirkungen auf den Elektrolythaushalt und sind - besonders im Ausdauerbereich - ebenfalls nur bedingt geeignet.

Angebote
Wer sich als Übungsleiter intensiv dem Thema Bluthochdruck widmen will, sollte darüber nachdenken, sich für das Anleiten spezieller Herzsportgruppen ausbilden zu lassen. Mehr Informationen bietet der Deutsche Behindertensportverband unter www.dbs-npc.de. Aber auch in der Ausbildung zum Übungsleiter für Präventionsangebote sowie in Präventionssportkursen, die mit dem Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT zertifiziert sind, spielt das Wissen um Bluthochdruck eine Rolle und wird Übungsleitern und Teilnehmern vermittelt. Informationen dazu findet man unter www.sportprogesundheit.de.

Dieser Artikel erscheint auch in der Zeitschrift SportPraxis 5+6/2012
www.sportpraxis.com


  • "Pulsmessung" Foto: Andrea Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRW
    "Pulsmessung" Foto: Andrea Bowinkelmann / Bilddatenbank LSB NRW