Entspannung durch Ausdauersport? Das klingt erst einmal nach einem Widerspruch! Doch schon in den 70er Jahren - zu Hochzeiten der Trimm-Dich-Bewegung - hieß es ganz richtig: "Ein Schlauer trimmt die Ausdauer"! Denn tatsächlich ist Ausdauersport nicht nur ein gutes Training für das Herz-Kreislauf-System, sondern ebenso geeignet, um Stress abzubauen und zur inneren Ruhe zu kommen.
Das diese aktive Form der Entspannung funktioniert, liegt daran, dass durch Muskelarbeit Stresshormone, wie beispielsweise Cortisol, abgebaut werden. Cortisol wird in der Nebenniere gebildet und in vermeintlichen Gefahrensituationen - oder eben bei Stress - ausgeschüttet. Es führt in hohen Konzentrationen dazu, dass wir uns aggressiv und unausgeglichen fühlen. Auch für den Körper bedeutet Cortisol Stress, denn es schädigt die Gefäße, schwächt das Immunsystem und schränkt die geistige Leistungsfähigkeit ein.
Neben dem Abbau von Stresshormonen wird beim Ausführen von Ausdauersport die Ausschüttung von Neurotransmittern, sogenannter Glückshormone, wie Dopamin und Serotonin, sowie die Produktion körpereigener Opiate, den Endorphinen, begünstigt. Während Serotonin dazu beiträgt, dass wir uns zufrieden und ausgeglichen fühlen, stimuliert Dopamin das Belohnungszentrum im Gehirn. Die Endorphine sind für das Hochgefühl verantwortlich, das sich oft bei Ausdauersportarten, z.B. längeren Läufen einstellt. Außerdem führt Ausdauersport zu einer Durchblutungssteigerung - nicht nur in der arbeitenden Muskulatur, sondern auch im Gehirn. All dies trägt dazu bei, dass sich emotionale Anspannung löst, trübe Gedanken verschwinden oder weniger werden und sich ein Flow-ähnlicher Zustand, darunter wird das Gefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit verstanden, einstellt oder einstellen kann.
Ausdauersport als Entspannunstraining
Damit Ausdauersport diese entspannenden Effekte hat, muss einiges beachtet werden:
Ausdauersport als Entspannungstraining funktioniert nur, wenn es sich um eine moderate Aktivität handelt. Die Intensität lässt sich gut über die Atmung regeln: An dem Spruch "Laufen ohne zu schnaufen" ist viel Wahres, denn tatsächlich ist man dann zu schnell, wenn man beim Ausdauersport nicht mehr sprechen kann. Eine Unterhaltung in kurzen Sätzen soll während des entspannungsfördernden Sporttreibens immer möglich sein. Hat man allerdings noch genug Luft, um seine Lebensgeschichte zu erzählen, sollte die Intensität gesteigert werden. Damit die entspannenden Effekte auch tatsächlich zum Tragen kommen, ist es notwendig, mindestens 30, besser 40 Minuten, unterwegs zu sein.
Mittlerweile kann Ausdauersport auch in den meisten Fitnessstudios auf dem Laufband, dem Ruderergometer, dem Spinning-Bike oder dem Crosstrainier durchgeführt werden. Schwitzen in geschlossenen Räumen mit Blick auf den Fernseher ist jedoch hinsichtlich seines Entspannungspotentials nicht zu vergleichen mit Sport in der Natur. Doch was macht das Sporttreiben in freier Natur so erholsam? Zum einen ist natürlich die frische Luft entspannend: Sozusagen eine Sauerstoffdusche für die Zellen, was gerade für diejenigen von uns unglaublich wohltuend ist, die sich während der Arbeit in geschlossenen Räumen, womöglich gar mit Klimaanlage, aufhalten müssen. Des Weiteren stellt die Ruhe in Wald-, Wiesen- oder anderen Naturräumen einen wohltuenden Kontrast zu der Berieselung mit Lärm und Geräuschen während der Arbeit und im Alltag dar. Auch die Schönheiten der Natur entdecken, auf Kleinigkeiten achten, Sonne, Wind, Regen oder Schnee bewusst wahrnehmen, den eigenen Atem hören - all das trägt dazu bei, dass wir abschalten können und sich oft ein Gefühl von "eins mit sich sein" einstellt. Effekte dieses entspannten Zustands sind beispielsweise ein nachweislich dauerhaft niedrigerer Minutenpuls und Blutdruck, aber auch eine positive Wirkung bei depressiven Verstimmungen. Die Medizin hat dies erkannt und setzt Ausdauersport im Freien schon seit längerem zur Therapie bei psychischen Erkrankungen ein.
Dieser Artikel erscheint auch in der Zeitschrift SportPraxis 3+4/2012
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